Du hörst dir lieber etwas an oder dir fällt das Lesen schwer? Kein Problem, wir haben den Text für dich eingesprochen:

Ich bin Tamara (Name geändert), bin 41 Jahre alt und studiere in Köln Soziale Arbeit im zweiten Semester. Vor dem Studium habe ich eine Ausbildung im sozialen Bereich gemacht und immer in Psychiatrien oder verschiedenen Einrichtungen der Behindertenhilfe gearbeitet. Ich hoffe, dass ich demnächst mein Wissen auf professionelle Füße stellen kann.

Deshalb bin ich vor eineinhalb Jahren mit meiner Partnerin in die Nähe von Köln gezogen.
Bei meiner Beeinträchtigung handelt es sich um eine psychische Behinderung, die schon seit meiner Kindheit besteht und mich an vielen Dingen hindert, mir auf der anderen Seite aber auch Chancen ermöglicht. Ich versuche immer, das Beste aus allem zu machen!
Meine größten Hobbys sind meine Hunde und auch sowieso alle Tiere auf dieser Welt. Ich liebe sie einfach alle. Deswegen bin ich auch Chiropraktikerin und Physiotherapeutin für Hunde und Pferde und finde es einfach sehr schön, mich für Tiere einzusetzen und mit ihnen Zeit zu verbringen. Ich habe selbst fünf Hunde, die mich manchmal ganz schön fordern, aber ich verbringe auch sehr gerne Zeit mit ihnen. Einer meiner Hunde hat selbst eine Beeinträchtigung: Er ist gelähmt und deshalb mit einem Hunde-Rollstuhl unterwegs.

Foto eines Hundes von hinten, der wegen seiner Beeinträchtigung nicht richtig laufen kann und eine Windel trägt
Nicht nur Tamara hat eine Beeinträchtigung, sondern auch einer ihrer 5 Hunde. Foto: privat

Ich habe eine psychische Beeinträchtigung. Meine Diagnose lautet komplexe posttraumatische Belastungsstörung. Aufgrund dieser Diagnose haben sich in den letzten Jahren weitere Krankheiten entwickelt wie zum Beispiel eine generalisierte Angststörung und Depressionen. Häufig fühle ich eine totale Schwere und habe soziale Ängste. Die Ängste sind eigentlich am schlimmsten. Sie sind allumfassend und es gibt bestimmte Bereiche, wo die Ängste angepeitscht werden. Die Corona-Pandemie trägt dazu auch eine Menge bei. Leider werde ich nicht immer von allen Menschen, die mich umgeben, verstanden. So schleppe ich einiges an Themen mit mir rum, bei denen ich gar nicht weiß, mit wem ich das besprechen kann.

Natürlich hindern mich meine Ängste auch daran, ganz „normal“ ein Studium zu absolvieren. Deshalb bin ich auf der einen Seite froh über die Pandemie, weil ich durch die Online-Veranstaltungen nicht in die ganzen fremden, öffentlichen Räume muss. Gleichzeitig ist es aber auch schwer auszuhalten, weil ich sehr an Einsamkeit leide. Also ich bin sehr, sehr viel allein. Es hilft mir auf jeden Fall, dass meine Hunde die ganze Zeit bei mir sind. Trotzdem würde ich auch gerne mal ein paar Menschen kennenlernen. Ich muss mich jeden Tag neu motivieren, meine Dinge zu machen und habe große Schwierigkeiten, dabei eine Struktur zu finden.

In den letzten fünf Jahren hat sich bei mir außerdem eine chronische Schmerzsymptomatik entwickelt. Diese nennt sich Fibromyalgie und hängt mit meinem psychischen Befinden zusammen: Je schlechter es mir geht, desto stärker sind die Schmerzen und wenn die Schmerzen stark sind, geht es mir auch schlecht. Das ist quasi ein Kreislauf, der mich ebenfalls daran hindert, bestimmte Dinge am Tag zu erledigen.

Ein Studium ist aus verschiedenen Gründen nicht einfach für mich. Auf der einen Seite habe ich die Ängste und die ganzen Gedanken in meinem Kopf. Ich mache mir beispielsweise Gedanken darum, was alles passieren könnte. Das hält mich oft vom Schlafen ab und kann sich auch mal über zwei oder drei Nächte ziehen. Wenn ich nicht schlafe, kann ich mich auch deutlich schlechter konzentrieren und bin damit überfordert. Wie soll ich so eine Vorlesung konzentriert verfolgen?
Das ist eine große Herausforderung für mich.

Außerdem habe ich Schwierigkeiten Menschen kennenzulernen und demnach auch Schwierigkeiten andere Leute im Studium kennenzulernen, mit denen ich mich mal treffen und austauschen kann.

Die Arbeit am PC fällt mir leider auch nicht so leicht und ich bin mir oft noch unsicher, wie ich meine Hausarbeiten strukturieren soll. Und da gerade alles online stattfindet, müsste ich fremde Menschen fragen, die ich noch nie gesehen habe. Da ist die Hürde entsprechend größer.

Ich gebe mir Mühe, dass das alles nicht auffällt. Das ist mir auch sehr wichtig, weil ich dadurch nicht angreifbar bin. Dennoch ist es auch oft sehr schwierig, dass ich nicht offen darüber reden kann.

Ich habe mich damals für die TH Köln entscheiden, weil sie einen guten Ruf hat und wissenschaftlich ist. Außerdem wusste ich, dass Menschen mit Behinderungen dort gut aufgehoben sind. Das alles hat sich nun auch bewahrheitet. Ich wurde nie allein gelassen.

Mein Bewerbungsverfahren lief ganz normal ab. Ich habe meine Bewerbungsunterlagen fristgerecht eingesendet und meinen Studienplatz über den NC und meine Wartesemester bekommen.
Aufgrund der Corona-Pandemie kann ich gar nicht sagen, wie barrierefrei die TH Köln ist. Ich weiß allerdings, dass eine Menge dafür getan wird, möglichst viele Barrieren abzubauen.

Zu Beginn meines Studiums habe ich am Best-Tandem-Programm teilgenommen. Das ist ein Angebot für Studierende aus dem ersten Semester, die irgendeine Form von Beeinträchtigung haben. Da bekommt man einen Tandempartner oder eine -partnerin an die Seite gestellt, die man alles fragen kann. Mir hat dieser Austausch sehr gut getan. Das Programm wird von Frau Fischer geleitet und angeleitet. Leider fanden bisher alle Treffen online statt und noch nicht persönlich. Es gibt aber auch eine WhatsApp-Gruppe für Studierende mit Beeinträchtigung, in der ich Mitglied bin.

Für anstehende Klausuren oder Prüfungsleistungen möchte ich einen Antrag auf Nachteilsausgleich stellen. Ich muss mich aber erstmal erkundigen, was da in meinem Fall möglich ist. Ich finde es jedoch generell ein wichtiges Instrument, um Prüfungen oder Abgaben für mich angenehmer zu gestalten.

Ich würde mir wünschen, dass es für Studierende mit Beeinträchtigung einen Pool gibt, wo sich alle Studierende eintragen können, die bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten haben. In diesem Pool könnte man dann schauen, wen man gezielt anschreiben kann, wenn man Hilfe benötigt. Der eine braucht beispielsweise Hilfe beim Verstehen von Texten, der andere hat Probleme mit dem PC, eine wieder andere Person braucht Unterstützung beim Erstellen von Excellisten. Man muss sich demnach nicht mehr in der großen Gruppe bloßstellen.

Ich würde es auch gut finden, wenn es für ältere Studierende mit Beeinträchtigung eine Möglichkeit gäbe, schneller zueinander zu finden. Meiner Meinung nach gibt es einige Themen, die man mit gleichaltrigen Personen besser besprechen kann. Ich würde mir wünschen, dass diese Vorschläge installiert werden.

Ich möchte anderen Studierenden mit Beeinträchtigungen gerne mit auf den Weg geben, dass sie sich einsetzen, zeigen und sichtbar machen sollen und sich nicht verstecken müssen. Sie sollten sich dafür einsetzen, dass auch Studierende mit Beeinträchtigung gut in dem sind, was sie tun. Wie alle anderen Menschen auch, sind sie unterschiedlich und individuell.

Kontakt

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