Du möchtest dir die Erfahrungen von Lennart lieber anhören? Kein Problem, Lennarts Assistent Tim hat den Erfahrungsbericht für dich eingesprochen:

Hallo,

ich heiße Lennart und ich bin 25 Jahre alt. Seit 2016 studiere ich Soziale Arbeit an der TH Köln.

Seit meiner Geburt habe ich eine tetraspastische Cerebralparese. Das heißt, dass mein Körper einen sehr hohen Muskeltonus (konstante Anspannung der Muskeln) zusammen mit einer Koordinationsschwäche hat. Deswegen sitze ich im Rollstuhl.

Du fragst dich jetzt bestimmt, wie sich meine Behinderung in meinem Alltag auswirkt. Ich trage eine sehr starke Brille, weil ich wegen meiner Behinderung nicht gut sehen kann. Spastik ist der Fachbegriff für die Anspannung, die in meinem gesamten Körper ist. Dazu zählen eben auch mein Mund, die Stimmbänder, meine Zunge und meine Augen, beziehungsweise meine Sehnerven.

Weil meine Stimme auch davon betroffen ist, klingt sie oft verwaschen. Leute brauchen Zeit, um sich einzuhören und ich habe mal das Feedback bekommen, das ich etwas langsamer spreche als andere Menschen. Also solltest du mal mit mir in Kontakt treten, wäre es mir wichtig, dass du dir Zeit nimmst und bereit bist, dich auf mich einzulassen und dich in meine Aussprache einzuhören.

Wie schnell das funktioniert, ist natürlich bei jedem unterschiedlich. Je öfter man mit mir Kontakt hat, umso schneller geht es natürlich. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mich Leute spätestens nach einem Monat ganz gut verstehen.

Weil ich in Köln wohne, habe ich mich für die TH Köln entschieden. Sie ist gut erreichbar und ich muss nicht so weit fahren. Nach der Schule wollte ich weiter lernen. Für mich war klar, dass ich studieren will.

Zuerst habe ich überlegt, mehrsprachige Kommunikation zu studieren, weil ich in der Schule leidenschaftlich gerne Englisch gemacht habe. Allerdings braucht man für den Studiengang eine zweite Fremdsprache. Deshalb habe ich in der Schule Spanisch gewählt. Irgendwann bin ich aber nicht mehr mitgekommen. Und am Ende meiner Schulzeit hatte sich das mit Spanisch erledigt.

Dann habe ich mit meinem Assistenten überlegt und mich für Soziale Arbeit entschieden. So viele Optionen habe ich ja nicht wegen meiner schweren Körperbehinderung. Ich habe schnell festgestellt, dass es der richtige Studiengang war, weil er sehr breit gefächert ist und verschiedene Bereiche im Zusammenhang mit der sozialen Arbeit sehr interessant beleuchtet.

Obwohl ich den NC für den Studiengang (damals 2,0) geschafft habe, habe ich mich trotzdem dazu entschieden, einen Härtefallantrag zu stellen. Nur zur Sicherheit.

Meine Behinderung kommuniziere ich eigentlich jedem, der mit mir in Kontakt tritt und Kontakt mit mir hat. Sowohl im Studium als auch Privat. Erstens ist meine Behinderung ja offensichtlich und zweitens finde ich es wichtig, anderen zu erklären, wo ich Unterstützung brauche und was meine Stärken und Schwächen sind. So wissen andere, woran sie mit mir sind.

Seit Beginn meiner Schulzeit habe ich Assistenz/Schulbegleitung. Die herkömmliche Assistenz habe ich erst seit dem Studium. Unterstützung brauche Ich in allen Bereichen des täglichen Lebens. Ich bin also rund um die Uhr auf Assistenz angewiesen. Meine Assistenz beziehe ich über einen Assistenzdienst, der für mich die Suche und die Bezahlung der Assistenten übernimmt. So muss ich das nicht selbst machen. Mein Studium wird über den LVR finanziert.

Ich bekomme im Studium einen Nachteilsausgleich. Das heißt in meinem Fall, dass ich Zeitverlängerung bei Hausarbeiten, Klausuren und Vorträgen erhalte. Ich studiere in Vollzeit (nicht in Regelstudienzeit). Seitdem Ich studiere, habe ich eher den Fokus auf das Studium an sich gelegt als auf das ganze drum herum. Das heißt, ich nehme keine übergreifenden Angebote der TH war. Bis auf Best Tandem😊.

Das ist ein Projekt, in dem Studierende mit Behinderung den Studieneinstieg für andere Studierende mit Behinderung erleichtern sollen. Mentor*innen stehen ihnen bei Fragen und mit ersten Hilfestellungen zur Seite. Ich bin als Mentor in dieses Projekt eingestiegen. Allerdings kann ich bis jetzt auf keine großen Mentor-Erfahrungen zurückgreifen, weil meine Mentees entweder sehr pflegeleicht sind und meine Hilfe nicht brauchen. Oder nicht verstanden haben, worum es in diesem Projekt überhaupt geht und wozu wir da sind. So war es bei mir im ersten Jahr.

Bezogen auf die Frage, was sich in Köln verändern müsste, um es Studierenden mit Beeinträchtigung zu erleichtern: Der Ausbau der Bahnen, was Barrierefreiheit angeht, muss meiner Meinung nach schneller vorangehen, weil es insbesondere mit Rollstuhl echt anstrengend sein kann, in Köln mobil zu sein.

Wenn ihr jetzt überlegt, ein Studium anzufangen, möchte ich euch auf jeden Fall mit auf den Weg geben, dass ihr ruhig mutig sein könnt diesen Schritt zu gehen. Es lohnt sich! 😊

Man lernt in dieser Zeit viel über sich selbst, wie man sich gut organisiert, Dinge koordiniert und Dinge in seinem Tempo erledigt. Teilt euch die Zeit so ein, wie es für euch am besten ist. Das gilt auch für das Arbeitspensum im Studium. Lasst deuch nicht von der Regelstudienzeit abschrecken, dass ihr unbedingt nach 6 Semestern fertig sein müsst. Ich studiere auch noch und werde erst in 3 Semestern fertig sein. 😊

Ihr dürft mich gerne kontaktieren, falls ihr irgendwelche Fragen zum Studium habt oder ich euch sonst irgendwie unterstützen kann. Wendet euch dazu einfach über das Kontaktformular an die Redaktion, die stellen dann den Kontakt zu mir her.

Teile diesen Beitrag gerne mit anderen, wenn du magst.