Du möchtest lieber hören, wie es dazu kam, dass Laura mehrmals in der Studienassistenz tätig war? Kein Problem, wir haben den Text für dich eingesprochen.

Mein Name ist Laura, ich bin 23 Jahre alt und Sozialarbeiterin aus Dortmund. Ich habe sowohl während meines Studiums für eine Kommilitonin als auch nach meinem Studium für eine mir anfangs noch fremde Person als Studienassistenz gearbeitet.

Wie ich zur Studienassistenz gekommen bin

Schon im ersten Semester meines eigenen Studiums saß eine junge Frau in fast all meinen Kursen, die grundsätzlich immer von zwei anderen Studentinnen begleitet wurde. Ich habe mich damals nur gefragt, wie es möglich sein kann, dass die drei immer alle Kurse gemeinsam besuchen können. Bei meinen Freundinnen und mir war das nämlich nicht der Fall.

Schnell fand ich heraus, dass die junge Frau blind ist, die zweite Frau ebenfalls stark sehbehindert ist und die dritte Frau als Assistenz für die beiden arbeitet.
Über die nächsten Semester traf man die drei aber auch immer wieder vereinzelt in den Kursen.

Im dritten Semester habe ich ein Blockseminar mit dem Namen „Filme machen“ besucht, in dem es darum ging, einen eigenen Film zu drehen und etwas über Kameraeinstellung und -führung zu lernen (Fragt mich nicht, was das mit Sozialer Arbeit zu tun hat). Eine Freundin von mir wäre in diesem Seminar die Assistenz von meiner blinden Kommilitonin gewesen. Jedoch wurde sie am Abend vor dem Seminar krank und hatte mich gefragt, ob ich das spontan für diesen Kurs übernehmen würde. Da ich neue Herausforderungen liebe, ließ ich mich darauf ein.

Und so lernte ich Marie (Name geändert) kennen. Über WhatsApp erklärte sie mir an dem Abend grob, was in den nächsten Tagen auf mich zukommen würde. Bis dahin hatte ich ausschließlich mit Menschen mit geistigen, körperlichen oder mehrfachen Behinderungen gearbeitet. Die Arbeit mit einer Person mit einer Sinnesbehinderung brachte natürlich ganz andere Voraussetzungen mit.

Meine Aufgaben als Studienassistenz für Marie

Jeden Morgen vor dem Seminar holte ich Marie von zuhause ab. Da wir sogar Nachbarinnen waren, war das nicht mal ein Umweg für mich. Sie benutzte zur Orientierung zwar einen Blindenstock, lief aber auf jedem Weg bei mir eingeharkt: Sowohl auf dem Weg zur Uni, als auch im Gebäude selbst.

In dem Seminar an sich ging es dann vor allem darum, ihr visuelle Dinge zu veranschaulichen. Sie hatte sich zuvor alle Arbeitsblätter digital organisiert, sodass sie auch damit arbeiten konnte. Das Ziel des Seminars war es, einen Stummfilm zu drehen. Da wir in unsere Gruppe einstimmig der Meinung waren, dass eine blinde Person hinter der Kamera recht wenig Sinn machen würde, wurde Marie zur Hauptdarstellerin des Films.

Aber was hat eine blinde Person davon, wenn wir von ihr einen Stummfilm drehen? Richtig: nichts! Es benötigte kaum Überzeugungskraft, als wir bei unserem Dozenten nachfragten, ob wir unseren Film mit einer Audiodeskription vertonen könnten, sodass auch Marie etwas von unserem Projekt hätte.

Während des Drehs ging es vor allem darum, dass ich Marie zu unseren Drehorten begleitete und sie dabei unterstützte, wie sie sich für die jeweilige Szene am besten platzieren muss. Beim darauffolgenden Schnitt konnte sie leider recht wenig helfen. Jedoch haben wir ihr jeden einzelnen Schritt erklärt, den wir gerade machten. Am Ende waren wir als Gruppe mehr als stolz auf unseren (zumindest für Menschen mit Sinnesbehinderungen) barrierefreien Film!

Nach dem Seminar begleitete ich sie dann jeden Tag wieder zurück nach Hause. Leider hat es sich danach nie wieder ergeben, dass wir gemeinsam ein Seminar oder eine Vorlesung besucht haben, aber wir standen immer wieder in Kontakt.

Etwa eineinhalb Jahre nach dem Seminar machte Marie ihr Praxissemester und brauchte zwar vor Ort keine Unterstützung, aber eine Wegbegleitung. So kam es dazu, dass ich sie einige Male zu ihrem Praktikum brachte und/oder abholte.

Studienassistenz, die Zweite

Nachdem ich mein eigenes Studium im Frühjahr 2021 abgeschlossen hatte, war ich auf der Suche nach einer sinnvollen Nebentätigkeit bis zum Sommer, weil ich erst dann anfangen wollte, zu arbeiten.

Bei meiner Suche stieß ich im Internet auf die Anzeige von Carina, einer ebenfalls blinden jungen Frau, die eine Studienassistenz suchte. Bei ihr ging es darum, sie beim Schreiben ihrer Bachelorarbeit zu unterstützen. Beim Lesen der Anzeige dachte ich mir, dass die Stelle perfekt zu mir passen sollte. Immerhin hatte ich gerade selbst erst eine Bachelorarbeit geschrieben und war auch schon mal als Studienassistenz für eine blinde Studentin tätig! Also habe ich mich auf die Stelle beworben und bekam schon direkt am nächsten Tag einen Anruf von Carina.
Es dauerte nicht lange, bis ich schließlich ihre neue Assistenz wurde.

Carina benötigte Unterstützung bei der Erstellung einer Website. Da ich leider keine Kompetenzen in diesem Bereich mitbrachte, bekam ich eine super Einführung von einem anderen Assistenten. Wir hatten eine gemeinsame WhatsApp Gruppe, in der man immer Fragen an die „älteren“ Assistent*innen stellen konnte.

Meine Hauptaufgaben bestanden bei Carina darin, dass ich bereits geführte Interviews transkribierte und umformulierte, Texte korrekturlas, Interviews vertonte und meine Meinung zu Fragen ihrerseits äußerte. Da wir leider ca. 100km auseinander wohnen, konnte ich viele Dinge von zuhause aus erledigen. Manchmal telefonierten oder schrieben wir vorher, um bestimmte Dinge zu besprechen, aber im Großen und Ganzen hat es meistens trotz Entfernung gut funktioniert. Bis jetzt haben wir uns auch nur ein einziges Mal persönlich getroffen, als wir Interviews vertont haben.

Die Arbeit aus dem Home-Office war wieder eine neue Erfahrung für mich, weil meine anderen Nebentätigkeiten alle trotz der Corona-Pandemie in Präsenz stattgefunden haben.

Für mich war und ist die Arbeit als Assistentin ein schöner Job, da man sehr intensiv mit einem einzelnen Menschen zusammenarbeiten kann und da unterstützt, wo Hilfe benötigt wird. Vor allem die Assistenz bei Marie war für mich sehr entspannt, da ich das Seminar eh besucht hätte und es somit kaum zusätzlicher Aufwand war.

Was mir besonders gut gefallen hat ist, dass die Arbeit bei beiden auf Augenhöhe stattgefunden hat. Es gab nie ein Machtgefälle oder das Gefühl von Chefin und Angestellter. Wenn ich irgendwelche Fragen hatte, konnte ich sie jederzeit stellen und ich hatte auch nie Angst – in meinen Augen – „dumme“ Fragen zu stellen. Wenn ich mal etwas falsch gemacht habe, war das nie schlimm, sondern mir wurde mein Fehler erklärt und ich konnte es ausbessern.
Außerdem habe ich durch die beiden eine Menge zur Barrierefreiheit in Bezug auf Sinnesbehinderungen gelernt. Für mich waren bis dahin nur Barrieren für Menschen mit körperlichen Behinderungen präsent. Somit hat die Arbeit bei Marie und Carina auch meinen eigenen Horizont erweitert und ich habe viel gelernt, was später in meiner Arbeit als Sozialarbeiterin in der Behindertenhilfe sicherlich relevant sein wird!

Falls ich nochmal studieren sollte und jemand in meinem Studiengang und Semester eine Assistenz sucht, würde ich mich jederzeit wieder für die Stelle entscheiden. Dadurch kann man neue Leute kennenlernen und – wie eben schon gesagt – den eigenen Horizont erweitern. Vielleicht ist manchmal die Hemmschwelle gegenüber Menschen mit Behinderungen etwas höher, aber woher soll man wissen, ob einem die Arbeit als Studienassistenz gefallen würde, wenn man es nie ausprobiert hat? Das würde ich auch allen Studierenden mit auf den Weg geben, die Kommiliton*innen mit Behinderung haben, welche eine Assistenz benötigen: Die Stelle als Studienassistenz wird euch definitiv nicht schaden und beide Seiten werden davon profitieren!

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