Das bin ich

Mein Name ist Lisa und ich bin 28 Jahre alt. Von 2013 bis 2021 habe ich an der Universität zu Köln studiert. Vorher habe ich ein Jahr an der Westfälischen Wilhelms Universität in Münster studiert. Ich habe mit Gymnasiallehramt angefangen und dann zu Lehramt für Haupt-, Real- und Sekundar- und Gesamtschulen gewechselt. Im Wintersemester 20/21 habe ich mein Studium mit dem Master of Education beendet. Im Mai 2021 beginnt mein Referendariat an einer Gesamtschule in Köln.

Warum die Uni Köln?

Da ich aus der Nähe von Köln komme, wollte ich gerne an der Universität zu Köln studieren. Die Nähe zu meinen Freunden und meiner Familie war mir hierbei sehr wichtig. Da mein Abiturschnitt den Studienbeginn an der Universität zu Köln nicht zugelassen hätte, habe ich mein Studium in Münster begonnen und bin dann nach einem Jahr nach Köln gewechselt.

So finanziere ich mein Studium

Mein Studium finanzierte ich zu Beginn durch mein Bafög. Als mir das, relativ schnell zu Beginn meines Studiums, nicht mehr zustand, habe ich verschiedene Nebenjobs angenommen. So habe ich seit 2014 fest in einer Familie mit zwei Kindern als Kindermädchen gearbeitet und seit 2017 noch stundenweise in einem Büro. Zwischendrin habe ich mal kurzzeitig in einer Bank, in einer Kita und in einer Schule gearbeitet. Meinen Arbeitgebern im Büro und in der Familie war meine Sehbeeinträchtigung von Beginn an bekannt. In beiden Jobs stellte das nie ein Problem dar. Mit den Kindern war sogar das Gegenteil der Fall, da beide den Umgang mit Personen mit Beeinträchtigungen gelernt haben und so ein Stückchen offener gegenüber Menschen mit Behinderungen geworden sind.

Meine Beeinträchtigung

Seit meiner Geburt habe ich einen nicht definierten Gendefekt im Auge in der Netzhaut. Dieser hat zur Folge, dass ich mit Brille ca. 20-30% sehen kann und ohne noch ca. 5-10%. Diese Sehkraft ist schon seit Jahren auf einem konstanten Niveau- also hat sich nicht verschlechtert. Außerdem kann ich laut Farbsehtest keine Farben sehen, auch wenn ich selber das Gefühl habe, dass meine Welt bunt ist.

Dieser Gendefekt ist so selten, dass er bisher meines Wissens nach nicht weiter erforscht wurde.

Wenn ich gefragt werde, was ich sehen kann, fällt mir das schwer zu beschreiben, da ich nicht weiß, was alle anderen sehen. Aber ein gutes Beispiel ist immer ein einfahrender Zug im Bahnhof. Ich sehe den Zug kommen, kann aber erst lesen, wo er hinfährt, wenn er steht. Oder ich kann erst Personen in einem Auto erkennen, wenn ich direkt vor dem Auto stehe. Texte in einer normal großen Schrift muss ich mir sehr nahe vors Gesicht halten. Einige dieser Situationen erfordern Planung, damit keine Unsicherheiten entstehen.

Wie meine Sehbeeinträchtigung mein Studium beeinflusst hat

Meine Sehbehinderung hat mich insofern im Unialltag eingeschränkt, dass es mir nicht möglich war, beispielsweise PowerPoint-Präsentationen lesen zu können. Dies hatte zur Folge, dass ich mich in vielen Vorlesungen ausschließlich darauf verlassen musste, was ich höre. Für mich war die Barrierefreiheit in der Universität also vom guten Willen der Dozierenden abhängig. Einige Dozierende haben mir die Möglichkeit gegeben, vorab die Präsentationen zu bekommen, damit ich diese auf dem Laptop oder dem IPad in die Sitzungen mitbringen konnte. Einige haben dies nicht getan, sodass es für mich sehr schwierig war, dem Kurs zu folgen.

Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich erst lernen musste, dass ich ein Recht darauf habe, insoweit unterstützt zu werden, dass ich mitarbeiten konnte. Zu Beginn meines Studiums habe ich meine Beeinträchtigung für mich behalten, was zur Folge hatte, dass ich einige Kurse mehrfach machen musste. Erst im Laufe der Zeit habe ich erkannt, dass ich nichts verliere, wenn ich um Hilfe bitte.

Ich habe im Unialltag als Hilfsmittel lediglich meine Brille und meinen Laptop oder das IPad genutzt. Außerdem haben mich Freunde unterstützt.

Umgang mit meiner Sehbeeinträchtigung

Rückblickend muss ich leider auch sagen, dass es Dozierende an der Universität zu Köln gibt, die mir gegenüber wenig Empathie aufgebracht haben:
So arbeitete eine Dozentin nur mit Lückentexten und PowerPoints, sodass ich keine Chance hatte, mitzuarbeiten. Da die Dozentin nach der Stunde keine Zeit hatte, habe ich ihr eine E-Mail geschrieben und ihr meine Situation erklärt. In der nächsten Stunde sagte sie vor dem gesamten Kurs, dass es eine Studierende in dem Kurs gäbe, die nicht lesen könnte. Diese sollte sich doch bitte mal melden. Alle, inklusive mir, haben sich verwirrt umgeguckt, aber niemand meldete sich. Die Dozentin wurde ungeduldig und ich habe mich gemeldet und gesagt: „Ich vermute, Sie meinen mich, aber ich möchte kurz klarstellen, dass ich sehr wohl lesen kann, allerdings auf Grund meiner Sehbehinderung die Folien nicht sehen kann.“ Für die Dozentin war die Lösung, dass ich doch nach vorne kommen solle, um in der ersten Reihe zu sitzen. Ich bin also nach vorne gekommen und habe laut vor dem Kurs gesagt, dass ich das immer noch nicht lesen könne. Kurz gesagt, die Dozentin war völlig überfordert, der Kurs hatte kein Interesse mit mir zusammenzuarbeiten und ich habe mich alleine durchgeschlagen. Zur 3. Stunde hat die Dozentin widerwillig ihr Konzept so geändert, dass ich mitarbeiten konnte.

Doch es gab auch Dozenten, die sich perfekt verhalten haben: In einem Kurs sollten wir parallel in einem extra eingerichteten Forum Themen diskutieren. Die Dozentin hat jeden Beitrag gelesen und falls nötig kommentiert. Die Idee hinter diesem Forum war, dass Studierende ins Gespräch kommen, indem sie Fragen stellen und eigene Erfahrungen schildern konnten. Unter einer Frage habe ich mich „geoutet“ und von meinen negativen Erfahrungen in Bezug auf meine Sehbehinderung in der Schule berichtet. Meine Dozentin hat mich daraufhin angeschrieben und gefragt, ob sie ihre Folien abändern solle, damit es für mich einfacher zu lesen sei. Dabei machte sie von sich aus dem Vorschlag nicht mit dem Gendersternchen zu gendern, da Vorleseapperate dies nicht könnten. Ebenfalls machte sie mir den Vorschlag, ihre Folien in den Farben Blau/ Gelb zu gestalten, da diese Farben mehr Kontrast hätten und so für sehbehinderte Menschen einfacher zu sehen seien. Ich habe mich sehr über diese Angebote gefreut, musste aber keines davon annehmen, da wir in dieser Zeit im Distanzlernen (oder Home-Office) durch die COVID-19-Pandemie waren. Generell muss ich sagen, dass das Distanzlernen eine große Erleichterung für mich war, da die Dozierenden gezwungen waren, alles auf die Online Lernplattformen zu stellen, wodurch ich so nicht mehr benachteiligt wurde und mich nicht „outen“ musste.

Ich glaube an diesen zwei Beispielen zeigt sich sehr gut, wie viel von den einzelnen Dozierenden und deren Bereitschaft abhängt. Zwischen diesen beiden härteren Fällen gab es allerdings auch ganz viele Dozierende, die sich in der Mitte befanden und mir z.B. angeboten haben, schriftliche Prüfungen am PC mündlich zu belegen. Ich habe auch als Nachteilsausgleich mehr Zeit in den Prüfungen erhalten.

Abschließend möchte ich noch etwas zum Thema „Outing“ gegenüber Kommilitonen sagen: Ich habe immer sehr genau überlegt, wem ich das sage und wem nicht, da eine Behinderung auch zur Ausgrenzung führen kann. Allerdings muss ich sagen, dass es den meisten, denen ich das von mir aus erzählt habe, egal war, ob ich eine Behinderung habe. Ich habe selten „doofe“ Fragen gestellt bekommen. Dadurch, dass meine Behinderung nicht sichtbar ist, habe ich oft das Gefühl, dass ich die Leute da wieder dran erinnern muss. Zum Beispiel wenn wir in der Mensa zum Mittagessen gegangen sind, brauchte ich jemanden, der mir vorliest. Das hat sehr oft funktioniert. Oft musste ich das zwar aktiv einfordern, aber mir wurde dann vorgelesen und daraus kein größeres Problem gemacht.

Was ich mir wünsche

Ich glaube, Studierende mit Beeinträchtigungen müssen sichtbarer gemacht werden. Nur so kann vermieden werden, dass Menschen zu Einzelkämpfern und ausgeschlossen werden. Die Angebote müssten öffentlicher gemacht werden. Ich habe erst sehr spät überhaupt von den Angeboten erfahren. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon eine Möglichkeit gefunden, wie das System Uni für mich funktionieren kann. Aus diesem Grund habe ich mich nicht weiter für die Angebote eingesetzt oder mich näher darüber informiert.

Generell sollten aber vor allem Dozierende im Umgang mit Beeinträchtigungen sensibilisiert werden. Da Dozierende immer auch eine Vorbildfunktion haben, könnten so auch Studierende offener gegenüber Menschen mit Beeinträchtigungen werden.

In meinem ganz persönlichen Fall hat es überhaupt nicht viel Einsatz gebraucht, um mir den Unialltag zu erleichtern: nur ein bisschen Mut meinerseits und ein bisschen Verständnis der anderen.

Den Mut zur Veränderung möchte ich gerne allen anderen Studierenden mitgeben: Habe den Mut offen auszusprechen was dein Problem ist. Habe den Mut offen um Hilfe zu bitten, denn niemanden ist geholfen, wenn du dich quälst und nicht mehr weiter kommst.

Kontakt

Du möchtest Kontakt zu Lisa aufnehmen? Dann schreib uns einfach über das Kontaktformular.

Teile diesen Beitrag gerne mit anderen, wenn du magst.